Aleatorische Demokratie

Jugendliche zur Demokratiereform beraten lassen

Wenn im Sommer 2019 tatsächlich in bundesweit etwa 16 Planungszellen per Los bestimmte Bürger über demokratische Reformen beraten (siehe Bericht), sollte die Chance genutzt werden, in zwei eigenständigen Gruppen ausschließliche Jugendliche zu Wort kommen zu lassen.
Denn selbst, wenn bei den Planungszellen Deutsche ab 16 Jahren berücksichtigt werden (Ziehung aus kommunalen Einwohnermelderegistern), bleibt eben ein großer Teil der jungen Generation stimmlos (zumal auch noch damit zu rechnen ist, dass die Politik eine Auslosung erst ab 18 Jahren haben möchte).
Rein sachlich dürfte unstrittig sein, dass gerade Jugendliche und junge Erwachsene über Vorschläge zur Zukunftsgestaltung beraten sollten. Sie betrifft es am meisten (bzw. längsten), sie kommen in der Tagespolitik am wenigsten vor (und wenn, dann meist über “Anwälte”, z.B. erwachsene Jugendverbandsvertreter und hauptberufliche Pädagogen).
Es spricht aber auch methodisch einiges dafür, Jugendliche unter sich beraten zu lassen. Der Unterschied zwischen ihnen und Middle-Aged oder Senioren ist eben weit größer als zwischen allen sonstigen (denkbaren) Gruppen. Es ist unstrittig, dass Jugendliche andere Positionen vertreten, wenn sie gemeinsam mit Erwachsenen an einem Projekt arbeiten, als wenn sie unter sich sind. In der altersheterogenen Gruppe kommt es viel eher zu Artefakten, und die Jugendlichen werden (meist sehr wohlmeinend) in die Kinder- / Jugend- / Schülerrolle gedrängt.

Zudem sollte es ein wissenschaftliches Interesse geben, die Gelegenheit zu nutzen, um Unterschiede in der Beratung und Beschlussfassung von Jugendlichen und Erwachsenen zu analysieren.
Neben den geplanten 16 Planungszellen mit Erwachsenen auch noch zwei “Jugendplanungszellen” (Youth Citizens Juries) durchzuführen, bedeutet zwar in der Tat einen Mehraufwand und damit auch höhere Kosten, weil die jugendliche Form aleatorischer Demokratie etwas andere Kompetenzen in Vorbereitung und Durchführung erfordert. Doch der Gewinn dürfte weit größer sein – ganz gleich, ob die Jugendlichen zu denselben Ergebnissen wie die Erwachsenen-Gruppen kämen oder zu anderen.
Gerade weil Jugendliche – als politisch nicht Stimmberechtigte und damit mehr oder weniger Irrelevante – permanent von Erwachsenengruppen vereinnahmt werden, braucht es weitere Erfahrungen mit demokratischer Jugendbeteiligung – die keine Spielwiese ist, sondern wo sich Entscheider und Aktivisten ernsthaft dafür interessieren, was Jugendliche zu sagen haben.

Timo Rieg

Siehe zu den bisherigen Experimenten mit Youth Citizens Juries:
https://www.aleatorische-demokratie.de/youth-citizens-jury/

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