Youth Citizens‘ Jury

Youth Citizens‘ Jury  – ausgeloste Jugendkonferenzen („Jugendplanungszellen“)
eine Kurzvorstellung

jugendplanungszellen-broschuereName:
Die Namen für das Verfahren sind allesamt bisher nicht ganz einfach, weil sie unbekannt sind. Im deutschsprachigen Raum in den 1970er Jahren unter dem Namen „Planungszelle“ geboren, wird dieses Beratungsverfahrne international als „Citizens‘ Jury“ bezeichnet. Da in unseren Projekten nur Jugendliche als Teilnehmer ausgelost wurden, müsste man besser von einer „Youth Citizens‘ Jury“ oder „Jugendplanungszelle“ sprechen.
In unseren Einladungen haben wir von einem „Jugendforum als Citizens‘ Jury“ gesprochen. Jugendkonferenz trifft es aber auch gut. Oder bei regelmäßiger Einberufung mit gewissen Befugnissen: Jugendparlament.

Aufgabe:
Eine Youth Citizens‘ Jury artikuliert die Meinung Jugendlicher zu festgelegten Themen bzw. Fragen. Damit berät sie die Politik, die Kommunalverwaltung und ggf. auch Jugendverbände und andere Akteure (Schulen, Polizei …). Sie fragt aber nicht einfach vorhandene Meinungen ab (wie in der Markt- und Meinungsforschung üblich), sondern bittet die Teilnehmer_innen in einem moderierten Prozess um Konsensentscheidungen.

Themen:
z.B. Freizeitangebote für Jugendliche, öko-faire Schulverpflegung, Verteilung der (gekürzten) Mittel für Jugendförderung, Drogenpolitik, kulturelle Spannungen im Kiez, Jugendschutz, Finanzierung von Jugendfreizeithäusern, Wahlalter, Umweltschutz.  Themen bzw. Fragestellungen können von der Politik, der Verwaltung oder auch von Jugendlichen selbst kommen (z.B. über Internet-Foren).

Ergebnisse:
Die Arbeit der Youth Citizens‘ Jury wird in einem Gutachten dokumentiert, dem Auftraggeber überreicht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Auftraggeber:
Die Durchführung einer Citizens‘ Jury veranlasst meist die Politik (Kommune, Land) oder die Verwaltung (z.B. Jugendamt, Bezirksverwaltung, Bauamt). Auftraggeber kann aber auch z.B. ein Stadtjugendring sein, eine Landesschülervertretung oder die Polizei (z.B. zum Thema Jugendgewalt).

Teilnahme:
Die Teilnehmer (Jurorinnen und Juroren oder Jury-Mitglieder genannt) werden per Zufall aus dem Einwohnermelderegister gezogen und zur Teilnahme eingeladen. Damit haben alle gemeldeten Jugendlichen die statistisch gleiche Chance auf Mitwirkung.

Dauer:
Vier Tage hintereinander, z.B. in den Ferien, an einem verlängerten Wochenende oder kurz vor den Sommerferien mit Hoffnung auf Schulbefreiung (Entscheidungshoheit liegt bei der Schule).

Organisation:
Mit der Durchführung einer Citizens‘ Jury, insbesondere der sehr umfangreichen Themenaufbereitung, der Teilnehmerauswahl und -betreuung, der Tagungs-Organisation  und Moderation wird ein Dienstleister für Partizipationsverfahren  beauftragt. Nur dies gewährleistet die Unabhängigkeit (keine Einflussnahme des Auftraggebers) und die methodische Fachkompetenz.

Das Besondere:
Der Auftraggeber erfährt, wie Jugendliche entscheiden würden: sie sprechen Empfehlungen aus. Weil aus allen sozialen und geographischen Gruppen Jugendliche zur Teilnahme eingeladen werden, sind Ergebnisse weit repräsentativer, als wenn sie von bestimmten Interessengruppen kämen.
Das Verfahren ermöglicht auch politisch nicht-aktiven Jugendlichen zu Wort zu kommen und ihre Gedanken zu äußern.
Gleichzeitig gehen die Ergebnisse weit über eine reine Befragung („Bist du dafür oder dagegen, dass…“)  hinaus, weil die Teilnehmenden sich sehr intensiv mit den gestellten Fragen beschäftigen – nämlich nicht nur einige Sekunden, sondern vier Tage lang. Und sie äußern nicht nur eine Meinung, sondern geben eine ernsthafte Empfehlung ab, was die ihrer Ansicht nach beste Lösung für ein Problem ist.

Resonanz:
Es gab bisher zwei Modellversuche mit Youth Citizens‘ Jurys. Alle Teilnehmer waren mit dem Verfahren sehr zufrieden und haben es ausnahmslos zur Nachahmung empfohlen. Auch alle als Referenten geladenen Politiker und andere Fachleute bekundeten großes Interesse an der Methode. Die Medien haben intensiv – auch landesweit – über beide Youth Citizens‘ Jurys berichtet.

FAQ zur Youth Citizens‘ Jury

Was ist eine Citizens‘ Jury ?
Citizens‘ Jury ist ein Beratungsverfahren, bei dem ähnlich wie bei einer Gerichts-Jury in den USA oder in Großbritannien die Teilnehmer per Losverfahren bestimmt werden. Man kann sich nicht bewerben, man kann nicht gewählt oder delegiert werden. Dadurch wird eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung gebildet, in der nach statistischer Wahrscheinlichkeit alle Altersgruppen, Bildungsschichten, politische Strömungen etc. enthalten sind.
Anders als bei Volksabstimmungen, bei denen alle Wahlberechtigten ihre Stimme einbringen können, werden in einer Citizens‘ Jury keine fertigen Meinungen abgefragt (mit Beschränkung auf Zustimmung oder Ablehnung eines Vorschlags), sondern es werden komplexe Themen beraten, um am Ende eine klare Empfehlung aussprechen zu können.
Pro Citizens‘ Jury werden 25 Teilnehmer ausgelost; wenn für die Repräsentativität mehr Teilnehmer benötigt werden, führt man mehrere Citizens‘ Jurys parallel durch.

Wie arbeitet eine Citizens‘ Jury
Die ausgelosten Teilnehmer (Juroren) kommen für vier – in der Regel aufeinanderfolgende – Tage zusammen. Der Tagesablauf ist dabei in vier Beratungsphasen gegliedert, die jeweils mit Fachinformationen zu einer Fragestellung beginnen. Danach treffen sich die Jurorinnen und Juroren in wiederum zufällig zusammengesetzten Kleingruppen (zu je fünf Personen), um Detailfragen zu klären und sich eine Meinung zu bilden. Diese Zwischenergebnisse werden dann den anderen Jury-Mitgliedern vorgestellt. Am Ende der vier Tage (nach etwa 12 Beratungseinheiten, ggf. Exkursionen, Politiker-Hearing und anderen Formen der Sachinformation) steht eine im Konsensverfahren gebildete Empfehlung der Gesamt-Jury, die als sog. Bürgergutachten oder hier eben Jugendgutachten veröffentlicht wird.
Die Plenumsphasen  werden von unabhängigen Moderatoren bzw. „Prozessbegleitern“ strukturiert, bei den Kleingruppenberatungen sind die Juroren vollkommen unter sich, ihre Beratungen sind nicht öffentlich.

Was ist eine Youth Citizens‘ Jury bzw. Jugendplanungszelle?
Während bei der normalen Citizens‘ Jury (auch „Bürgergutachter-Gruppe“) die Teilnehmer aus der Bevölkerung im Alter zwischen 16 und 70 Jahren ausgelost werden (über eine Stichprobe beim Einwohnermeldeamt), kommen bei  einer Youth Citizens‘ Jury eben nur Jugendliche als Teilnehmer in Betracht. Je nach Fragestellung kann dies z.B. die Altersgruppe der 14- bis 17-Jährigen sein. Methodisch unterscheidet sie sich nicht. Auch bei nur jugendlichen Teilnehmern wird die Stichprobe über das Einwohnermeldeamt (oder ein vergleichbares, möglichst vollständiges Verzeichnis) generiert.

Für wen ist eine Youth Citizens‘ Jury geeignet?
Das Verfahren ist überall dort geeignet, wo die Gruppe derer, die an einer Entscheidung beteiligt werden sollen oder deren Einschätzung zu politischen Fragen man bekommen möchte, zu groß für das direkte Gespräch ist. Das können die Mitglieder in einem großen Verband sein, alle Schüler einer Schule, alle Studierdenden einer Universität oder alle Jugendlichen in einer Stadt, in einem Stadtteil oder in einer ländlichen Region.

Was sind die Schwächen des Verfahrens?
* Alle wichtigen Informationen müssen für die Jury vorbereitet sein.
* Wenig kreativ: die Juroren müssen sich im Wesentlichen darauf beschränken, bereits vorhandene Vorschläge zu diskutieren und zu bewerten. Für eigene Vorschläge können in der Regel nicht so kurzfristig die nötigen Sachinformationen von unabhängigen Rechercheuren beschafft werden. Kreative Methoden wie Zukunftswerkstatt können aber den Beratungen vorgeschaltet werden, ebenso wie offene Beteiligungsmodelle via Internet.
* Auch die Einladung zu einer Citizens‘ Jury werden bestimmte Gesellschaftsgruppen eher ablehnen als andere. Dies wäre nur zu umgehen, wenn die Teilnahme Pflicht wäre (wie dies z.T .bei Gerichtsjurys der Fall ist). Allerdings ist die „negative Selbstselektion“ hier deutlich geringer als bei anderen, vergleichbaren Beteiligungsverfahren (siehe z.B. „Nichtwähler-Forschung“).

Was sind die Stärken des Verfahrens?
* Absolut demokratisch
* Repräsentativ: es kommen nicht nur die Vielredner zu Wort oder Lobbyisten, die sich für eine bestimmte Sache stark machen. Die Jury stellt quasi eine Miniatur der Gesellschaft oder des gewünschten Ausschnitts dar.
* Unabhängig: die Juroren können normalerweise keine Eigeninteressen verfolgen, es gibt keine Karriere und kein Nachfolgemandat. Einziges Ziel der Teilnehmer ist es, gemeinsam zu einem guten Ergebnis zu kommen.
* Stimulierend: Die Begleitforschung zeigt, dass die Einladung zu einer Citizens‘ Jury das Vertrauen in die Demokratie stärkt und Menschen aktiviert. Viele erzählen auch noch Jahre nach einer Teilnahme von diesem Erlebnis.

Wie läuft eine Citizens Jury ab?
Der Auftraggeber / Initiator hat Fragen, zu denen er eine verlässliche Einschätzung der Bürger – oder hier eben nur der Jugendlichen – haben möchte. Daher beauftragt er (z.B. als Bürgermeister, Jugendamt oder parlamentarischer Ausschuss) einen Durchführungsträger, der sich um die Aufarbeitung der Themen bzw. Fragestellungen (Operationalisierung) und die Einladung der Juroren sowie die gesamte Organisation der (Youth-) Citizens‘ Jury kümmert.
Die potentiellen Teilnehmer erhalten dann einige Wochen bis Monate vor dem Beratungszeitraum eine schriftliche Einladung, in der ihnen das Verfahren und die Bedeutung ihrer Auslosung kurz erklärt werden und um Rückmeldung gebeten wird.
Die vier Beratungstage selbst sind klar strukturiert. Im Grundraster gibt es täglich vier Einheiten zu je 90 Minuten; sie beginnen mit einem fachlichen Input (z.B. Expertenvortrag, Erläuterung einer Studie etc.), an den sich eine Fragephase anschließt. Danach gehen die Juroren  zufällig zusammengestellte Kleingruppen, um Einzelaspekte zu beraten und am Ende ihre Empfehlung in der Gesamt-Jury vorzustellen. Dort zeigt sich dann, ob es bereits insgesamt ein deutliches Votum der Jury gibt, oder ob noch Detailfragen zu vertiefen sind.
Am Ende werden die Empfehlungen der Jury vom Durchführungsträger in einem Bürgergutachten zusammengefasst und von den Juroren kontrolliert. Das fertige Gutachten wird veröffentlicht und dem Fragesteller (Auftraggeber) in angemessener Form übergeben.

Wie kommt das Verfahren bei den jugendlichen Teilnehmern an?
Sehr gut – das zeigen  nicht nur die erarbeiteten Ergebnisse, das hat auch die Begleitforschung ergeben. Beide Jugend-Jurys wurden extern und unabhängig evaluiert. Dafür gab es eine schriftliche Befragung aller Juroren, Einzelgespräche zu kritischen Punkten und eine externe Beobachtung (mit Ausnahme der Juryberatungen in Kleingruppen, die per definitionem keine Zuhörer dulden).
Alle 50 Teilnehmer er beiden Bochumer Youth Citizens Jurys  haben erklärt, dass sie Freunden raten würden, an einer Citizens‘ Jury teilzunehmen, wenn sie eine Einladung erhielten. Es gab also nicht eine einzige Ablehnung des Verfahrens!

Wie solide sind die Ergebnisse (Bürgergutachten) ?
Bei schwierigen bzw. komplexen Fragen werden mehrere (häufig vier) Jurys parallel  einberufen, um die Gefahr zu minimieren, dass wichtige Aspekte übersehen werden. Dabei zeigt sich aber auch, dass die unterschiedlichen Jurys normalerweise in allen Kernfragen übereinstimmen.

Wer eine statistische Absicherung benötigt, sollte daher zwei Jurys einberufen (die Kosten hierfür sind weit weniger als doppelt so hoch, weil es bei guter Organisation viele Synergieeffekte gibt). Wenn beide Jurys zu vergleichbaren Ergebnissen kommen und das Verfahren professionell vorbereitet war (also u.a. nicht manipulativ), darf man die Ergebnisse als valide ansehen.

Wie war die Medienresonanz?
Alle regionalen Medien haben die Citizens‘ Jury beide Male als interessantes Ereignis aufgegriffen, z.T. kontinuierlich berichtet (Lokalzeitung, Lokalradio). Auch das Fernsehen konnte beide Male interessiert werden.

Wer hat die Bochumer Youth Citizens‘ Jurys organisiert?
Veranstalterin war der Jugendverband „Landesjugendvertretung“ (LJV). Mit der methodischen Aufbereitung für das Citizens‘-Jury-Verfahren wie auch der organisatorischen Leitung war in beiden Durchgängen aufgrund des methodischen und jugendpolitischen Know-hows das Bochumer Journalistenbüro Rieg beauftragt (www.journalistenbuero.com). (Kontakt, auch zur Bestellung der kostenlosen Print-Broschüre über Youth Citizens‘ Juries)

Weitere Informationen zur „Youth Citizens Jury“ / Jugendplanungszelle:

a) Fernsehbericht von der ersten Youth Citizens‘ Jury: Video (Bericht + Studiogespräch WDR)
b) Ergebnisse der Jury 2009: Erstes-Jugendforum-Bochum-Ergebnisse (pdf)
c) Evaluationsbericht 2009 (nexus Institut)
d) Ergebnisse der Jury 2010: Gutachten-Citizens-Jury-2010 (pdf)
e) Fernsehbericht von der zweiten Youth Citizens‘ Jury (WDR)
f) Erfahrungsbericht (Zeitschrift „deutsche jugend“)

Und allgemein zum demokratischen Losverfahren:
* Literaturhinweise