Aleatorische Demokratie

Um was es geht – und was neu ist

Auf diesen Seiten stellen wir Ihnen aleatorische Demokratie vor – in verschiedenen Konzepten und Einsatzgebieten. Im Deutschen wird derzeit meist von „Zufallsbürgern“ oder „Bürgerbeteiligung mit Zufallsauswahl“ gesprochen, das frisch etablierte Format dazu heißt „Bürgerrat“. Doch das Konzept der „sortition“ geht viel weiter. Weiterlesen

Rolle des Bundestags bei der Gesetzgebung geringer als gedacht

(Der folgende Text ist eine leicht bearbeitete Pressemitteilung des Vereins Mehr Demokratie)

Der Gesetzgebungsprozess muss transparenter und nachvollziehbarer gestaltet werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Vereins Mehr Demokratie (MD). Sie zeigt laut MD, dass der Bundestag eher eine Kontroll- als eine Gestaltungsrolle bei der Gesetzgebung innehat. Nahezu 90 Prozent der in der 19. Legislaturperiode (2017 bis 2021) verabschiedeten Gesetze wurden von der Bundesregierung initiiert. Davon wurden 40 Prozent ohne oder mit vernachlässigbaren Änderungen vom Bundestag verabschiedet. Insgesamt nahm der Bundestag bei 70,9 Prozent aller beschlossenen Gesetze kaum Einfluss. Weiterlesen

Wer hat Woidke gewählt?

Spekulationen über individuelles Wahlverhalten bei eigentlich geheimen Wahlen gibt es immer wieder in der Politik – zuletzt in Brandenburg. Haben CDU- oder AfD-Abgeordnete für den SPD-Kandidaten gestimmt? Bei der Zeit heißt es dazu:

>Im zweiten Wahlgang wiederum erhielt Woidke mindestens vier Stimmen von Oppositionsabgeordneten. Zwölf Sitze im Landtag hat die CDU, 30 die AfD. […]
Die Ministerpräsidentenwahl findet geheim statt. Wer für und wer gegen Woidke stimmte, lässt sich somit nicht unabhängig feststellen. Die CDU-Fraktion will dem Sozialdemokraten keine Stimmen gegeben haben. „Wir haben geschlossen gegen die Wahl von Dietmar Woidke gestimmt“, sagte Fraktionschef Jan Redmann ZEIT ONLINE. Woidke sei der erste Ministerpräsident, „der mit Stimmen der AfD ins Amt gewählt wurde“, sagte Redmann.<

Solche (medialen) Debatten sind unwürdig: Entweder es gibt geheime Abstimmungen, dann verbietet sich jede Spekulation (einschließlich der Annahme, die eigenen Leute müssten ja wohl fast ausnahmslos für den Kandidaten gestimmt haben). Andernfalls legt man offene Abstimmungen fest. Beides hat sein Für und Wider. Wobei in Parlamenten strikt gelten muss: Abgeordnete sind ans Weisungen nicht gebunden – sie müssen in ihrem Abstimmungsverhalten frei sein.

Für und Wider der Vertraulichkeit gibt es übrigens auch bei der Wahl von Abgeordneten und Parteien. Auch hier kann man gegen die heute als selbstverständlich geltende geheime Abstimmung Argumente vorbringen. Es ist demokratisch nicht gerade unbedenklich, wenn jemand öffentlich anderes behaupten und fordern kann, als er dann bei der Machtübertragung entscheidendet.

Siehe hierzu auch: Gespräch über öffentliche und geheime Abstimmungen in Parlamenten mit Prof. Hubertus Buchstein (Archiv, 2014):

Teilnahmequoten bei Losverfahren erhöhen – mit persönlichen Besuchen

Das wohl größte Problem aleatorischer Beteiligungsverfahren ist bisher, dass nur ein kleiner Teil der vom Zufall bestimmten Personen auch teilnehmen möchte – oder kann. Die Zusagequoten liegen oft deutlich unter 10 Prozent, was bedeutet: der weitaus größte Teil derer, die für ein repräsentatives Abbild benötigt werden, ist im ausgelosten Bürgerrat, der ausgelosten Planungszelle o.ä. nicht enthalten.
Hier setzt Dr. Linus Strothmann an und bemüht sich, bei persönlichen Besuchen Ausgeloste von der Teilnahme zu überzeugen bzw. Hürden auszuräumen. Um dieses sog. „aufsuchende Losverfahren“ geht es vor allem in dieser 26. Folge von ?Macht:Los!, dem Podcast, der sich mit aleatorischer Deliberation und Demokratie beschäftigt.
Strothmann arbeitet inzwischen für „Es geht LOS!“ und organisiert dort u.a. Bürgerräte in Wahlkreisen unter dem Projektnamen „Hallo Bundestag“.
Der Journalist Timo Rieg spricht mit Linus Strothmann über seine Erfahrungen mit der Auslosung und die Möglichkeiten, die angestrebte Perspektivenvielfalt in die Losgruppen zu bekommen.

Zu den Shownotes und zur vollständigen Episodenübersicht.

1000 Euro für Ihre Seele oder Ihr Wahlrecht

Sicherlich war es mehr ein Gag für eine kleine Kolumne, den die ZEIT mit zwei Civey-Umfragen machen wollte und wovon Jochen Bittner dann berichtete:

„Als Erstes wollten wir wissen: Wären Sie bereit, gegen eine Zahlung von 1000 Euro bei der nächsten Bundestagswahl auf Ihre Stimmabgabe zu verzichten? 16 Prozent würden es tun. 80 Prozent behaupten: Niemals! Gute Zahlen, sie sprechen immerhin für eine gewisse Heiligkeit der Volkssouveränität.“ Weiterlesen

Direkte oder aleatorische Demokratie für Deutschland? Podcast #22

In der 22. Folge des Podcast ?Macht:Los! geht es um das Buch „Eine Demokratie für das 21. Jahrhundert – Warum die Volksvertretung überholt ist und die Zukunft der direkten Demokratie gehört“ von Prof. Dr. Andreas Urs Sommer. Der Philosoph möchte auch in Deutschland mehr Direktdemokratie nach Schweizer Vorbild. Sein Gesprächspartner, ?Macht:Los!-Host Timo Rieg, wirbt natürlich für die aleatorische Demokratie, die Auslosung von Stellvertretern, die mit aller nötigen Zeit und Expertise auch schwierigste Detailfragen beraten können. Am Ende des Gesprächs sehen die beiden Autoren ihre unterschiedlichen Ansätze als durchaus kompatibel miteinander an. Ein Auszug des Gesprächs ist als Interview im Freitag erschienen (Ausgabe 22/ 2023).

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