Für aleatorische Bürgerbeteiligung (Deliberation) gibt es inzwischen unüberschaubar viele Beispiele – für aleatorische Bürgerentscheidungen (Demokratie) nur wenige. Hier sammeln wir einige für den ersten Eindruck.
Die derzeit bekannteste Methode ist der Bürgerrat. Zum Begriff und Abgrenzungen der Methodik siehe hier. Einsatzbeispiele der deutlich älteren (und standardisierteren) Methode Planungszelle siehe Liste. In beiden Verfahren wird jeweils eine (relativ) große Gruppe von Bürgern ausgelost, die dann über mehrere Tage – inzwischen häufig gestreckt über mehrere Wochenenden und Online-Treffen – unter Hinzuziehung externer Expertise Lösungsvorschläge für ein gesellschaftliches oder planerisches Problem erarbeiten und in einem sogenannten Bürgergutachten der Öffentlichkeit und dem Auftraggeber vorstellen. Eine Sammlung von Praxisbeispielen gibt es hier.
Auslosung einzelner Vertreter
Anstatt alle Mitglieder einer Beratungsgruppe auszulosen gibt es immer wieder auch das Modell, dies nur für einzelne Plätze zu tun, während andere fest „gesetzt sind“, also z.B. von der kommunalen Verwaltung oder Politik in das Gremium entsendet werden.
Kaiserslautern: In den neu gegründeten Beteiligungsbeirat mit insgesamt 16 Mitgliedern werden acht Einwohner gelost, die sich dazu bewerben können. Fest gesetzt sind: drei Vertreter der Stadtverwaltung, ein Mitglied der Koordinationsstelle Bürgerbeteiligung, je ein Mitglied von Seniorenbeirat, Jugendparlament, Inklusionsbeirat und Beirat für Migration und Integration. (Bericht: Die Rheinpfalz)
Auslosung außerhalb aleatorischer Demokratie
Finanzielle Förderung: Ferric Fang und Arturo Casadevall haben eine Lotterie für Wissenschaftsprojekte vorgeschlagen. Nach einer grundsätzlichen Eignungsprüfung sollte das Los entscheiden, was tatsächlich gefördert wird: Research Funding: the Case for a Modified Lottery, in: mBio (hrsg. von der American Society for Microbiology), 7. Jg, H 2 (März/April 2016)
https://journals.asm.org/doi/pdf/10.1128/mBio.00422-16
March/April 2016 Volume 7 Issue 2 e00422-16
Sonstige Hinweise
Edingen-Neckarhausen (PLZ 68535, Baden-Württemberg)
Ein Teilnehmer berichtete dazu auf der Ask-us-Liste:
Meine Gemeinde ist eine von mehreren Gemeinden im Main-Neckar-Raum (in Baden-Württemberg, Deutschland), die eine Zukunftswerkstatt zur Entwicklung der Gemeinde durchführen (Leitbild für die Zeit bis 2030). Alle Bürger der Gemeinde wurden angeschrieben und in einem Fragebogen um Vorschläge gebeten. Unter allen, die den Fragebogen beantwortet haben, wurden zufällig einige ausgewählt, darunter auch ich, und eingeladen, an einem der Arbeitskreise teilzunehmen. So wurden ich und einige andere, die sonst nie politisch aktiv sind, mal eingebunden. So wie ich dachten auch viele andere Teilnehmer „wenn die Gemeinde mich schon extra anschreibt, sollte ich wohl mal mitmachen“) Wir haben viele Vorschläge diskutiert. Leider wurden meine weitgehend als unrealistisch eingestuft (neuer Bahnhof, …) andererseits habe ich auch Ideen von anderen abgelehnt (Förderung von Elektromobilität -> halte ich nicht für zielführend, weil die Produktion und Entsorgung der Batterien die Umwelt sehr stark belastet). Neben uns Bürgern sind Gemeinderatsmitglieder mit dabei, die angehalten wurden sich zurückzuhalten, aber de facto oft erzählen, was schon gemacht wurde, für demnächst geplant ist oder abgelehnt und warum. Ich war sehr positiv überrascht, wie viele gute Angebote die Gemeinde hat, von denen ich nie was wusste.
Natürlich ist die Teilnahme freiwillig. Es sind zwar im Lauf der Zeit einige der Bürger weggeblieben, v.a. solche, die sich schwer tun mit Diskussionen (z.B. weil sie nicht so gut Deutsch können oder älter sind und schwer hören oder halt doch wenig Interesse am Thema haben), dennoch haben wir viele konstruktive Vorschläge erarbeitet, die nun im Gemeinderat diskutiert werden.