Aleatorische Demokratie

Initiative für einen europäischen Verfassungskonvent

Damit “der Schoas” so nicht weitergeht, will eine kleine Gruppe österreichischer Demokratiereformer einen europäischen Verfassungskonvent ins Leben rufen. Oder mehrere kleine. In jedem Fall sollen die Mitglieder eines solchen Konvents per Los bestimmt werden.
Aleatorische Demokratie gewinnt zunehmend Anhänger. Für Stefan Schartlmüller von der “IG Demokratie” waren Berichte vom isländischen Verfassungskonvent initial (den allerdings gewählte, nicht geloste Bürger bildeten), die deutsche Fassung David Van Reybroucks Buch tat dann das Übrige. “2012 gab es verstärkt Diskussionen um Demokratiereformen”, erzählt Schartlmüller von den Anfängen der “Interessengemeinschaft” (IG), in der er heute einer von etwa fünf Aktivisten ist, die bei einzelnen Aktionen von einem größeren Netzwerk unterstützt werden. Mit Bürgerbeteiligung haben alle Aktiven der IG Demokratie schon lange in unterschiedlichen Zusammenhängen zu tun, beruflich sind die meisten aber anderswo unterwegs. Nur Obfrau (Vorsitzende) Tamara Ehs beschäftigt sich auch beruflich mit Politik – an der Universität Wien.

Island, dann die Citizens’ Assemlby in Irland, aber auch viele kleinere Beispiele aleatorischer Deliberation motivieren die österreichischen Aktivisten, einen Verfassungskonvent für möglich zu halten. “Aber natürlich können das nicht eine Hand voll Leute erreichen”, sagt Schartlmüller. Im Moment setzt sein Verein bzw. “Think & Action Tank” auf Information, Öffentlichkeitsarbeit, Aktivierung der Gesellschaft. Dazu gibt es einen Austausch mit anderen Freunden aleatorischer Demokratie. Denn es gibt derzeit einige Initiativen für geloste Bürgerräte (“Es geht los”, “Ask us” u.a.). Zudem plant der Verein “Mehr Demokratie” zusammen mit Beteiligungsprofis und Finanziers ein deutschlandweites Bürgergutachten zu Demokratiereformen.

Mit dem direkt-demokratischen Instrument der europäischen Bürgerinitiative ist der gewünschte Konvent vermutlich nicht voranzubringen, glaubt Schartlmüller. Denn abgesehen von der sehr anspruchsvollen Hürde, eine Million Unterschriften für eine solche Initiaitve sammeln zu müssen, sind Verfassungsfragen der direkten Demokratie entzogen – und am Ende einer Europäischen Bürgerinitiative steht eh nicht mehr als ein Votum der Kommission (tätigwerden muss sie nicht).

Neben dem Großziel Verfassungskonvent engagiert sich die IG Demokratie für vielfältige Partizipationsformen. Schon rund 30 Mal gab es ein “Demokratie Repair Cafe” mit “Do-it-yourself”-Anleitungen (Kommunikations-, Moderations- und Entscheidungs-Methoden). In der Selbstbeschreibung heißt es dazu:

“Die IG Demokratie unterstützt und berät wissenschaftlich wie methodenpraktisch all jene Personen oder Institutionen, die an der (Weiter-)Entwicklung der partizipativen Demokratie interessiert sind. Es entspricht unserem Selbstverständnis, ausschließlich Prozesse, Strukturen und Methoden zu fördern und zu unterstützen, die Menschen Möglichkeiten bieten, selbst an der Weiterentwicklung politischer Systeme (auf allen Ebenen) mitzuwirken – also transparent und offen für Mitarbeit sind. Dazu braucht es umfassende politische Bildung in Theorie und Praxis, sowie auch die dafür notwendigen Ressourcen.”

Auch an der aktuellen Unterschriftensammlung für einen Bürgerrat zu Landwirtschaftsthemen im Bundesland Vorarlberg ist die IG beteiligt. Denn obwohl Österreich mit diesen regelmäßigen und auch durch Bürgervotum einsetzbaren Bürgerräte bei der aleatorischen Deliberation weit vorne ist, sieht Stefan Schartlmüller die Notwendigkeit, Bürgerbeteiligung stärker sichtbar zu machen. Klar sei: auch in Österreich ist nicht jeder Berufspolitiker begeistert, wenn die Wähler Politik selbst in die Hand nehmen wollen. (Tg)

IG Demokratie e.V.:
https://ig-demokratie.at/

Hintergrund Verfassungskonvent Island (pdf von Mehr Demokratie):
https://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/2012-10-17_Presse-Information_Referendum_Island.pdf

Hintergrund Bürgerrat (von unten) in Vorarlberg:
http://www.bürgerinnenrat.at/landwirtschaft/

Bürgerräte Vorarlberg (Österreich) Zwischenbilanz (pdf):
https://www.vorarlberg.at/pdf/kurzfassungbuergerraetezw.pdf

Büro für Zukunftsfragen Vorarlberg (offizielle Stelle):
https://www.vorarlberg.at/vorarlberg/umwelt_zukunft/zukunft/buerofuerzukunftsfragen/start.htm

Termin: Am 10. Mai 2019 lädt die IG Demokratie zur Idee eines europäischen Verfassungskonvents nach Salzburg ein. Details dazu werden im Newsletter “Aleatorische Demokratie” veröffentlicht sowie unter:
https://ig-demokratie.at/

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