Aleatorische Demokratie

Jugendliche zur Demokratiereform beraten lassen

Wenn im Sommer 2019 tatsächlich in bundesweit etwa 16 Planungszellen per Los bestimmte Bürger über demokratische Reformen beraten (siehe Bericht), sollte die Chance genutzt werden, in zwei eigenständigen Gruppen ausschließliche Jugendliche zu Wort kommen zu lassen.
Denn selbst, wenn bei den Planungszellen Deutsche ab 16 Jahren berücksichtigt werden (Ziehung aus kommunalen Einwohnermelderegistern), bleibt eben ein großer Teil der jungen Generation stimmlos (zumal auch noch damit zu rechnen ist, dass die Politik eine Auslosung erst ab 18 Jahren haben möchte).
Rein sachlich dürfte unstrittig sein, dass gerade Jugendliche und junge Erwachsene über Vorschläge zur Zukunftsgestaltung beraten sollten. Sie betrifft es am meisten (bzw. längsten), sie kommen in der Tagespolitik am wenigsten vor (und wenn, dann meist über „Anwälte“, z.B. erwachsene Jugendverbandsvertreter und hauptberufliche Pädagogen). Weiterlesen

Initiative für einen europäischen Verfassungskonvent

Damit „der Schoas“ so nicht weitergeht, will eine kleine Gruppe österreichischer Demokratiereformer einen europäischen Verfassungskonvent ins Leben rufen. Oder mehrere kleine. In jedem Fall sollen die Mitglieder eines solchen Konvents per Los bestimmt werden.
Aleatorische Demokratie gewinnt zunehmend Anhänger. Für Stefan Schartlmüller von der „IG Demokratie“ waren Berichte vom isländischen Verfassungskonvent initial (den allerdings gewählte, nicht geloste Bürger bildeten), die deutsche Fassung David Van Reybroucks Buch tat dann das Übrige. „2012 gab es verstärkt Diskussionen um Demokratiereformen“, erzählt Schartlmüller von den Anfängen der „Interessengemeinschaft“ (IG), in der er heute einer von etwa fünf Aktivisten ist, die bei einzelnen Aktionen von einem größeren Netzwerk unterstützt werden. Mit Bürgerbeteiligung haben alle Aktiven der IG Demokratie schon lange in unterschiedlichen Zusammenhängen zu tun, beruflich sind die meisten aber anderswo unterwegs. Nur Obfrau (Vorsitzende) Tamara Ehs beschäftigt sich auch beruflich mit Politik – an der Universität Wien. Weiterlesen

Initiativen für aleatorische Deliberation

Es gibt derzeit zahlreiche kleine Gruppen und Initiativen, die sich aleatorische Demokratie oder (wenigstens) aleatorische Deliberation wünschen, also zumindest die Beratung der Berufspolitik und Verwaltung durch ausgeloste Bürger. Nachfolgend einige Beispiele. Bereits etablierte aleatorische Verfahren finden sich unter Netzwerk.

Deutschland


Aks us. Eine Petition fordert eine ausgeloste Bürgerversammlung zu Fragen von Asyl und Migration, weil die Politik hier seit Jahren nicht weiterkommt und ein auf Verständigung zielender Dialog in der Gesellschaft fehlt.

Ebenfalls für geloste BürgerInnenversammlungen bzw. Bürgerräte setzen sich „Es geht los“  und „Mehr als Wählen“ ein.

Einen  „Deutschen Jugendrat“ möchte die Gruppe „Demokratische Stimme der Jugend“ einrichten (lassen). Die Mitglieder sollen per Los gezogen werden.

München. Ein Münchner Bürgerparlament oder einen Münchner Bürgerrat plant der „Verein Kommunikative Demokratie e.V.“ für 2019. Geplant sind halbjährliche Bürgerversammlungen, bei denen die Themen von den zufällig gelosten Bürgern selbst kommen und von ehrenamtlich agierenden Mitgliedern und Unterstützern des Vereins seriös vorbereitet werden, um dann den Bürgern in der Arbeit eines Wochenendes zur Beratung und Entscheidung vorgelegt zu werden. Projektbeschreibung beim „Denkzentrum Demokratie„.

Neumünster soll ebenfalls einen Bürgerrat bekommen, allerdings sollen die Mitglieder nach derzeitigem Planungsstand zwei Jahre im Amt bleiben. Starten soll das ganze aber mit einer Planungszelle. Artikel, Video.

Einzelpersonen. Zudem gibt es viele einzelne Akteure für aleatorische Demokratie. Viele Ideen verlaufen allerdings mangels finanzieller und personeller Unterstützung im Sande. Auf relevante Einzelinitiativen verweisen wir soweit möglich in diesem Blog.

Planungszellen / Bürgergutachten. Alle uns bekannten Planungszellen, die eine deliberative Form aleatorischer Demokratie sind, haben wir in einem eigenen Beitrag gesammelt (mit Verweis auf Archiv der letzten Jahrzehnte).

Freiburg. Allianz für WERTEorientierte Demokratie (fordert geloste Bürgerversammlung)

– Neumünster (Zeitungsbericht, mehr im Newsletter)

 

Schweiz

Bundesrichter auslosen. Mit der „Justiz-Initiative“ sammelt eine Gruppe um den Unternehmer Adrian Gasser bis Herbst 2019 die benötigten 100.000 Unterschriften für eine Verfassungsänderung, ach der die Richterinnen und Richter des Bundesgerichts per Los bestimmt werden sollen. Im Initiativtext lautet die entsprechende Verfassungsänderung:

„Die Zulassung zum Losverfahren richtet sich ausschließlich nach objektiven Kriterien der fachlichen und persönlichen Eignung für das Amt als Richterin oder Richter des Bundesgerichts. […] Über die Zulassung zum Losverfahren entscheidet eine Fachkommission. Die Mitglieder der Fachkommission werden vom Bundesrat für eine einmalige Amtsdauer von zwölf Jahren gewählt. Sie sind in ihrer Tätigkeit von Behörden und politischen Organisationen unabhängig.“

Initiator Adrian Gasser sagt dazu auf der Kampagnen-Seite:

„Das Bundesgericht ist zum verlängerten Arm der Verwaltung verkommen. Der Einzelne, der Schutz gegen von ihm als ungerecht empfundene Entscheide sucht, fühlt sich unter diesen Bedingungen chancenlos.“

Ausgelostes Parlament. Die Initiative „Generation Nomination“ setzt sich für eine Auslosung der Nationalratsmitglieder ein. Derzeit befindet sich die Gruppe nach einem kurzen Medienhype im Prozess des kontinuierlichen Werbens. Eine konkrete Volksinitiative, für die 100.000 Unterschriften in 18 Monaten gesammelt werden müssen, wird derzeit noch nicht angestrebt.

Nicht mehr aktiv

Parteiprogramm. Die „Hanf-Partei“ wollte aleatorische Demokratie zum festen Bestandteil des Parteiprogramms machen. Interessierte konnten über die genaue Ausgestaltung diskutieren. Der erste Entwurf stützt sich vor allem auf die Ideen von David Van Reybrouck und Timo Rieg (ohne Beteiligung der Autoren). Inzwischen ist die Hanf-Partei nicht mehr aktiv.
Zuvor hatte die Partei „NEIN!-Idee aleatorische Demokratie in ihrem Programm und wollte auch Parteiposten per Los vergeben. Am 1. April 2017 hat sich die Partei Nein-Idee beim Bundesparteitag in Heubach aufgelöst.

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Gegen Wahlen – David Van Reybroucks Buch

Mit seinem Buch „Tegen Verkiezingen“ bzw. dessen Übersetzungen hat der Belgische Autor David Van Reybrouck einen Bestseller geschrieben. Erstaunlich, dass er sogar in Deutschland mit „Gegen Wahlen – Warum Abstimmen nicht demokratisch ist“ kurze Zeit auf der Bestsellerliste stand (nach einem Interview mit dem Spiegel) – denn: bis dahin hatte sich keine Redaktion für das Thema Losdemokratie erwärmen können, zu weit weg war die Idee von dem, was sich Politikredakteure vorstellen können.
So wurde Van Reybroucks Buch natürlich auch vor allem in den Feuilletons besprochen – dort aber überwiegend sehr begeistert. Im politischen Alltag ist die Idee noch lange nicht angekommen, aber immerhin kennen nun einige Mitbürger schon mal das Prinzip, darauf lässt sich aufbauen. Weiterlesen

Losen statt Wählen

reybrouck--against-elections-verlagscoverVor drei Jahren schon hat der belgische Autor (und Historiker, Ärchäologe und Ethnologe) David Van Reybrouck ein tolles Buch über die demokratische Methode der Auslosung geschrieben: „Tegen verkiezingen“. Nun ist es fast zeitgleich auf Englisch und Deutsch erschienen: Against Elections – Gegen Wahlen. Das Schöne: Dank seines Promistatus konnte Van Reybrouck so ein wichtiges Feld der Demokratiereform in die Massenmedien bringen, denn Spiegel, Süddeutsche, Welt etc. standen alle sofort parat und haben rezensiert bzw. Interviews geführt (Linksammlung).

Wir verweisen darauf, dass es zur „Losdemokratie“ schon allerhand Schriften gibt – eine kleine Auswahl haben wir auf unserer Literaturseite gesammelt. Weiterlesen