Aleatorische Demokratie

?Macht:Los! Folge 18: Aleatorische Deliberation in Frankreich und der EU

Frankreich ist mit auf dem Los basierender Bürgerbeteiligung im Zuge der “Gelbwesten-Proteste” weit vorangeschritten. An der Durchführung dieses “Grand Débat” (siehe Episode 4) war Antoine Vergne beteiligt.

Dr. Antoine Vergne arbeitet bei “Missions Publiques”, einer Firma für Bürgerbeteiligung mit Sitz in Paris, Bonn und Brüssel. Er ist dort Co-Direktor und Direktor für internationale Partnerschaften und war beteiligt an der Organisation der ausgelosten Bürgerforen 2019 wie dann auch 2021 zu Klimafragen und zur Zukunft der EU. Timo Rieg und Antoine Vergne kennen sich seit über 15 Jahren aus dem Planungszellen-Kontext. In dieser Ausgabe von ?Macht:Los! sprechen sie über Vergnes Erfahrungen mit aleatorischer Bürgerbeteiligung in Frankreich und der Europäischen Union.

Shownotes
Zum automatischen Transkript der Folge (sehr fehlerhaft!): https://machtlos.podigee.io/4-buergerrat-demokratie-gestartet/transcript

Weitere Informationen unter Aleatorische-Demokratie.de
https://www.aleatorische-demokratie.de

Antoine Vergne bei Missions Publiques
https://missionspubliques.org/unser-team/?lang=de

Konferenz zur Zukunft Europas – Information der dt. Bundesregierung https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/europa/konferenz-zur-zukunft-europas

Konferenz zur Zukunft Europas – Projektseite der EU
https://futureu.europa.eu/?locale=de

Diskussionspanel zur Zukunft Europas (Europäische Kommission)
https://futureu.europa.eu/processes

Experiment Bürgerbeteiligung (Bericht Deutschlandfunk)
https://www.deutschlandfunk.de/konferenz-zur-zukunft-europas-experiment-buergerbeteiligung-100.html

Grand debat (Bericht SZ):
https://www.sueddeutsche.de/politik/grand-debat-frankreichs-baum-der-erkenntnis-1.4401094

Die Macht des Zufalls – Interview mit Timo Rieg über Losdemokratie, RBB Kultur und RBB Inforadio
https://www.inforadio.de/rubriken/leben/religion-und-gesellschaft/2022/01/die-macht-des-zufalls.html

Übersicht zu Planungszellen (als Grundmodell aleatorischer Deliberation)
https://www.aleatorische-demokratie.de/liste-der-deutschen-planungszellen-citizens-jurys/

Eine vollständige Übersicht aller ?Macht:Los!-Folgen finden Sie unter www.machtlos.org

Medienspiegel Archiv

Ältere Einträge im Medienspiegel (ausgewählt, nicht vollständig)

+ Mehr Diktatur oder mehr Demokratie wagen in der Krise? Streitgespräch mit Schriftsteller Thomas Brussig (Telepolis, 31.07.2021)

+ “Forum Corona” heißt der Bürgerrat zur Pandemiepolitik im Freistaat Sachsen. Bericht beim MDR (17.07.2021). Zur Übersicht siehe: Beispiele für Bürgerräte

+ Covid-19 Bürgerforum Thüringen zur Politikberatung (Youtube-Auftaktsitzung) (02.07.2021); Information der Landesregierung+ Berlin will ersten Klima-Bürgerrat einberufen (21.05.2021, ND)

+ Film-Dokumentation zum “Bürgerrat Demokratie” bei MDR ausgestrahlt (25.10.2020). Update: derzeit über ARD-Mediathek abrufbar. Ansonsten bei den Macherinnen von Crossendfilm nachfragen.

+ Pattensen wollte Bürgerrat einsetzen (18.11.2020, Leineblitz), der Vorschlag der Bürgermeisterin wurde jedoch abgelehnt (23.11.2020)

+ In seinem “Nachruf” auf Joe Kaeser, noch Vorstandsvorsitzender bei Siemens, schreibt Gabor Steingart: “Wir erleben die Demokratisierung der Demokratie, nicht nur bei Siemens. Geschäftsmodelle müssen heute der Gesellschaft zur Ratifizierung vorgelegt werden, nicht mehr nur dem Aufsichtsrat.” (“Morningbriefing” vom 14. Januar 2020)

+ Unter den vielen Veranstaltungen, die aufgrund der Corona-Verordnungen der Länder abgesagt werden mussten, ist das in der Partizipationsszene sehr interessierte beäugte “Olympia 12062020”.

https://www.12062020.de/de/news/656acaff-bb8c-5225-8000-96c9c91b9a8b/

+ Selbst in kleinen Gemeinden wird über die Auslosung von Bürgern zur Beratung nachgedacht, etwa im knapp 10.000-Einwohner-Ort Aschheim (Bayern). (Süddeutsche Zeitung, 08.01.2020)

+ Ur-demokratisches Verfahren neu entdeckt: Berlin experimentiert mit ausgelosten Bürgerräten (Rabe, Oktober 2019)

+ Bürgerrat Demokratie: Kurzbericht zum Ende der Beratungen (TP, 4.10.2019) und Kommentar “Mehr Demokratie von unten wagen” (Deutschlandfunk Kultur, 7.10.2019)

+ Bürgerräte in Berlin Tempelhof-Schöneberg (TP, 16. August 2019); Interview dazu mit zwei der Initiatorinnen (TP, 21. August 2019)

+ Braucht der “Fridays for Future”-Protest gewählte und damit legitimierte Vertreter, wie ein Experte meint? (Freitag.de, 2. August 2019)

+ Interessanter Überblick: “Das große Demokratie-Los” Es bewegt sich gerade viel in Europa (MD, 23. Juli 2019)

+ Bürgerrat Demokratie: einmaliges Beteiligungsprojekt
Einführungstext mit Pressespiegel (5. Juli 2019)

+ Warum die Tabaksteuer ein Akt der Willkür statt Demokratie ist – provokatives “Politisches Feuilleton” (Deutschlandfunk Kultur, 16. Juni 2019)

+ Zufallsbürger statt Berufspolitiker? Ein langes Streitgespräch (Telepolis, 22. Mai 2019)

+ “Extinction Rebellion” entwickelt sich sehr gut vorbereitet über Ostern zu einer  europaweit wahrgenommenen Protestbewegung. Zu den Forderungen für effektiven Klimaschutz gehören: geloste Bürgerversammlungen:
1. To “tell the truth” by declaring a climate and ecological emergency.
2. To “act now” with means to “halt biodiversity loss and reduce greenhouse gas emissions to net by 2025”.
3. To create a citizen’s assembly on climate change and ecological justice which would lead Government action.
(The Evening  Standard, 22. April 2019)

+ Aleatorische Demokratie statt Wahl-Aristokratie – ein 3-Minuten-Statement in der Diakonie-Reihe “unerhört:  Nichtwähler“.

+ Belgien installiert die ersten ausgelosten Bürgerräte. Vorreiter der Bewegung  ist David Van Reybrouck.
Bei dem sog. “Ostbelgien-Modell”, das sich als Vorbild für ganz Europa versteht, sollen mit der neuen Legislaturperiode ausgeloste Bürger über Themen beraten und ihre Ergebnisse im Konsens oder mit mindestens 80% ihrer Stimmen dem Parlament vorlegen. Die Losbürger erhalten eine Aufwandsentschädigung von 37,50 Euro, bei Sitzungen, die länger als vier Stunden dauern das Doppelte (75 EUR).

+ Aleatorische Demokratie in der Kommune? Darüber diskutierte die  Wählergruppe “Deine Freunde” in Köln. Audiomitschnitt auf Soundcloud.

+ Madrid hat als bisher wohl erste europäische Stadt die Einrichtung einer ständigen, per Los zusammengesetzten Bürgerversammlung beschlossen. Die Amtszeit soll jeweils ein Jahr dauern.
Madrid has become the first city in modern Europe to install a permanent citizens’ assembly drawn by lot.

+ Brett Hennig: “Kick ‘em all out! Citizens’ Assemblies and the next democratic revolution”, in: New Internationalist, 14.12.2018. Auszug:

Whatever the diverse causes of, and messages from, these two very different protests, it appears that the demand for a citizens’ assembly is crossing cultural barriers and being promoted as the preferred democratic tool of a new generation of activists. (via: equalitybylot.com)

+ Schon einige Politiker und sonstwie Berufene haben gefordert, die Briten ein zweites Mal über die Frage nach Verbleib in oder Verlassen der EU abstimmen zu lassen (zumeist ohne auf das grundlegende Problem von Wiederholungsabstimmungen einzugehen). Nun hat eine Abgeordneter der Labour-Party stattdessen eine schnelle Citizens’ Assembly zum Brexit gefordert, also eine Beratung durch ausgeloste Bürger. Lustigerweise wird dies nun als “Irish-Style” bezeichnet, als hätten Irland die politische Beratung in einem Losgremium erfunden. Aber weil die Erzählung “konservatives, katholisches Land erlaubt die Abtreibung Dank aleatorischer Demokratie” so schön ist, wird dieses Beispiel noch lange herhalten müssen. BBC-Videoausschnitt (1 Minute) vom 7.12.2018.

+ Citizens’ chambers: towards an activism of selection by lot. [Original-Abstract: Sortition would address the yawning deliberative deficit and weaken many of the pathways by which polarisation, cronyism and party influence occurs, says Nicholas Gruen.] in: The Mandarin (Australien), 5.12.2018

+ Der ORF berichtet über aleatorische Demokratie in Vorarlberg. Mit dabei sind natürlich die Bürgerräte, die dort regelmäßig einberufen werden und auch von den Bürgern  per Unterschriftensammlung gefordert werden können (siehe dazu unseren Bericht). (Report, 20.11.2018)

+ Einen Bürgerrat für Neumünster wünscht sich eine “Initiative Demokratieerweiterung in Neumünster“. Am 5. Dezember (19 Uhr) gibt es dazu eine Informations- und Gesprächsveranstaltung (Bildungszentrum Vicelinviertel, Kieler Str. 90). Später soll es eine viertägige Planungszelle geben, aus der dann ein Bürgerrat hervorgehen soll. Siehe Bericht shz.de

+ Die beiden Macher vom Verein “Es geht LOS” haben ihre Arbeit im Podcast Y-Politik vorgestellt (aufgenommen bereits im Oktober). (12. November 2018)

+ Frankfurter Demokratiekonvent nennt sich die erste ausgeloste Bürgerversammlung, die von der studentischen Initiative “Mehr als Wählen” einberufen wird. Die Einladungen gehen in diesen Tagen raus, im Februar 2019 sollen dann 50 Frankfurter drei Tage lang über bessere demokratische Teilhabe beraten. Das Projekt wird jetzt in einem kurzen Video vorgestellt.
In der Frankfurter Rundschau gab es am 15.11.2018 dazu einen Bericht: Wählen gehen reicht nicht.

+ Aleatorische Bürgerbeteiligung im Elsass: „Man muss über eine neue Beziehung zur Macht nachdenken“ Mit ausgelosten Teilnehmern arbeiten die Bürger im elsässischen Kingersheim die Vorlagen für den Stadtrat aus. „Man muss über eine neue Beziehung zur Macht nachdenken“ – Gespräch mit dem französischen Bürgermeister Joseph Spiegel in elsässischen Kingersheim. Er spricht von einer “konstruierenden Demokratie”, deren oberstes Primat das Vertauen auf die Einwohner sei.  (Deutschlandfunk, 21. Oktober 2018)

+ Tim Dunlop spricht sich in seinem Buch “The Future of Everything” für eine aleatorisch besetzte zweite Parlamentskammer aus. Buchauszug im Guardian.

+ Das ehrliche Wahlergebnis von Bayern – inklusive der “Nichtwähler” (Welt, 14. Oktober 2018)

+ Auch in der Schweizer Direktdemokratie gibt es das natürliche Gerangel zwischen Herrschern und Beherrschten. “10 Arten,  den  Schweizer Volkswillen zu umgehen” (swissinfo, 28. September 2018)

+ Der Landrat in Ostprignitz-Ruppin Ralf Reinhardt ist per Los in seinem Amt bestätigt worden. (Märkische Allgemeine, 10. September 2018)

?Macht:Los! Folge 17 zu den Bürgerräten Klima und Demokratie

Fortsetzung von Folge 16 mit Feedbacks zum Modell Bürgerrat. Moderator Timo Rieg spricht mit Tim Weyrauch über dessen Erfahrungen als Mitglied im ersten bundesweiten Bürgerrat zur Reform der Demokratie. (In Folge 16 waren dazu bereits Urte Stahl und Martin Cordes zu hören.)
Danach geht es um den dritten bundesweiten Bürgerrat zur Klimapolitik. Darüber hat Timo Rieg mit Kirstin Bekers gesprochen, im Rahmen des Podcasts “Die Klimadebatte”, weshalb es hier nur einen kurzen Auszug und unten den Link zum ganzen Gespräch gibt.
Schließlich erzählt Karl-Martin Hentschel als einer der Initiatoren und fachlichen Berater des Klima-Bürgerrats von seinen Eindrücken zum Verfahren.
Mehr zu Bürgerräten, Planungszellen und anderen demokratischen Losverfahren gibt es unter www.aleatorische-demokratie.de

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Erfahrungsberichte vom ersten bundesweiten Bürgerrat Demokratie (Podcast-Folge 16)

Der erste bundesweite Bürgerrat, eine Gruppe von 160 per Los aus ganz Deutschland bestimmten Mitbürgern, ist nun schon zwei Jahre her, und doch lohne der Blick auf dieses Pionier-Projekt. Denn die Methode Bürgerrat ist seitdem gesetzt, wird vielfach in allen möglichen Abwandlungen eingesetzt und begeistert sogar viele Politiker. In dieser Episode von ?Macht:Los! geht es daher um die Erfahrungen von zwei Ausgelosten, Urte Stahl und Martin Coordes. In den weiteren Podcastfolgen wird es dann auch einen Vergleich zur Methode Planungszelle geben, die gerade ihren 50. Geburtstag hatte. Und es sollen dann in loser Folge Fachgespräche zu einzelnen Aspekten der aleatorischen Bürgerbeteiligung, des aleatorischen Bürgergutachtens und letztlich der aleatorischen Demokratie folgen.

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Beispiele für Bürgerräte

Bürgerräte als aleatorisches Beteiligungsformat erfreuen sich gerade großer Beliebtheit – sowohl bei Aktivisten als auch bei Politik und z.T. Verwaltung.

Bundesweite Bürgerräte in Deutschland: 
2019 Bürgerrat Demokratie (Sehr eindrücklich dazu der Dokumentarfilm von Sandra Budesheim und Sabine Zimmer: Bürger. Macht. – Mehr direkte Demokratie?)
2021 Bürgerrat Deutschlands Rolle in der Welt (6-Minuten Video)
2021 Bürgerrat Klima

Landesweite Bürgerräte in Deutschland:

2021 zu “Corona”, Covid-19 bzw. der Pandemiepolitik:
Baden-Württemberg: Bürgerforum Corona
Thüringen: Bürgerforum Corona
Sachsen: Forum Corona

Corona-Diktatur als Demokratiemanagement?

Der Schriftsteller Thomas Brussig (“Sonnenallee”) hat zur Bekämpfung einer Pandemie wie Corona “Mehr Diktatur wagen” gefordert. Eine kurzzeitige Aussetzung der Demokratie solle helfen, schnell zu einer guten Politik zu kommen. Timo Rieg widerspricht ihm heftig. Es habe in den anderhalb Jahren Coronapolitik nicht an Diktatur, sondern an echter Demokratie gefehlt. Ein Streitgespräch für den Podcast ?Macht:Los!


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Demokratischer Meinungsstreit am Beispiel #allesdichtmachen

Die Kunstaktion ist Geschichte, der Wirbel um sie war heftig und  für die Demokratieentwicklung bedenkenswert: Als am 22. April 2021 die 51 Mini-Videos der Aktion #allesdichtmachen online gegangen waren, entbrannte binnen Stunden ein Mediendebatte um die Grenzen des Sagbaren, die Verhöhnung von Corona-Opfern, die Nähe der Schauspieler und des Regisseurs zu Rechtsradikalen und Schwurblern.

Nach reichlich Zeit zum Beobachten des weiteren Mediengeschehens haben sich Robert Jende und Timo Rieg über diese Aktion unterhalten, im Rahmen des Podcast ?Macht:Los!

Um das aleatorische Element geht es dabei nur ganz am Rande, aber wie öffentliche Debatten verlaufen ist für den demokratischen Meinungsbildungsprozess auch bei Losgremien relevant.

Fishkins theoretische Grenzen für Sortition (Rezension)

James S. Fishkin
Random Assemblies for Lawmaking? Prospects and Limits*

James Fishkin (71) diskutiert in seinem Aufsatz Überlegungen zu einer zweiten (oder dritten) parlamentarischen Kammer, die mit ausgelosten Bürgern besetzt wird. Diese könnte vor oder nach dem Beginn eines Gesetzgebungsverfahrens arbeiten (“I will refer to the former as prefilter designs and the latter as postfilter designs”).
Fishkin benennt vier demokratische Grundprinzipien, die in den vielfältigen Demokratiemodellen unterschiedlich miteinander verwoben werden: “political equality, (mass) participation, deliberation, and avoiding tyranny of the majority (which I call nontyranny)”. Weiterlesen