Dirk Sauerborn und Timo Rieg diskutieren, wie die „Nichtwähler“ in den Parlamenten berücksichtigt werden könnten.
Die Nichtwähler waren wieder die größte Partei: sowohl bei der letzten Bundestagswahl am 26. September 2021 als auch bei der jüngsten Landtagswahl am 9. Oktober 2022 in Niedersachsen. Im Bund lag ihr Anteil an den Wahlberechtigten bei 23,4%, in Niedersachsen bei 39,7%. Zwar erzielte die SPD 25,7% der Zweitstimmen für den Bundestag, doch der Anteil wird nur aus den abgegebenen Stimmen berechnet. Wenn der Anteil der Nichtwähler an allen Wahlberechtigten 23,4% betrug, dann lag die Zustimmung zur SPD bei allen Wahlberechtigten nur bei 19,7% (11.955.434 Stimmen von 61.181.072 Wahlberechtigten). Als Näherung kann man also von allen ausgewiesenen Prozentanteilen der Parteien ein Viertel abziehen, um die getätigte Zustimmung in der wahlberechtigten Bevölkerung zu erhalten (über die tatsächliche Zustimmung sagt dies natürlich noch nichts aus).
Mehr oder weniger durch Zufalll ist das gesamte System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks derzeit in die Diskussion geraten. Ausgehend von Vorwürfen des laxen Umgangs mit dem zur Verfügung gestellten Geld beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), verknüpft mit dem Namen der damals noch Intendantin Patricia Schlesinger, wird bei vielen Sendern Kritik öffentlich, insbesondere derzeit beim Norddeutschen Rundfunk (NDR), bei dem es in einzelnen Häusern oder Redaktionen Vetternwirtschaft, politische Einflussnahme und „ein Klima der Angst“ gegeben haben soll. Die öffentliche Aufregung kommt für manchen Kenner der Branche sicherlich etwas plötzlich und heftig – schließlich ist mit dem, was jetzt enthüllt wird, überall zu rechnen, so wie das Finanzamt sinnvollerweise jedem Steuerpflichtigen erstmal Steuerhinterziehung zutraut und nicht allzu verwundert ist, wenn es sie tatsächlich irgendwo entdeckt. Weiterlesen
Frankreich ist mit auf dem Los basierender Bürgerbeteiligung im Zuge der „Gelbwesten-Proteste“ weit vorangeschritten. An der Durchführung dieses „Grand Débat“ (siehe Episode 4) war Antoine Vergne beteiligt.
Dr. Antoine Vergne arbeitet bei „Missions Publiques“, einer Firma für Bürgerbeteiligung mit Sitz in Paris, Bonn und Brüssel. Er ist dort Co-Direktor und Direktor für internationale Partnerschaften und war beteiligt an der Organisation der ausgelosten Bürgerforen 2019 wie dann auch 2021 zu Klimafragen und zur Zukunft der EU. Timo Rieg und Antoine Vergne kennen sich seit über 15 Jahren aus dem Planungszellen-Kontext. In dieser Ausgabe von ?Macht:Los! sprechen sie über Vergnes Erfahrungen mit aleatorischer Bürgerbeteiligung in Frankreich und der Europäischen Union.
+ Film-Dokumentation zum „Bürgerrat Demokratie“ bei MDR ausgestrahlt (25.10.2020). Update: derzeit über ARD-Mediathek abrufbar. Ansonsten bei den Macherinnen von Crossendfilm nachfragen.
+ Pattensen wollte Bürgerrat einsetzen (18.11.2020, Leineblitz), der Vorschlag der Bürgermeisterin wurde jedoch abgelehnt (23.11.2020)
+ In seinem „Nachruf“ auf Joe Kaeser, noch Vorstandsvorsitzender bei Siemens, schreibt Gabor Steingart: „Wir erleben die Demokratisierung der Demokratie, nicht nur bei Siemens. Geschäftsmodelle müssen heute der Gesellschaft zur Ratifizierung vorgelegt werden, nicht mehr nur dem Aufsichtsrat.“ („Morningbriefing“ vom 14. Januar 2020)
+ Unter den vielen Veranstaltungen, die aufgrund der Corona-Verordnungen der Länder abgesagt werden mussten, ist das in der Partizipationsszene sehr interessierte beäugte „Olympia 12062020“.
+ „Extinction Rebellion“ entwickelt sich sehr gut vorbereitet über Ostern zu einer europaweit wahrgenommenen Protestbewegung. Zu den Forderungen für effektiven Klimaschutz gehören: geloste Bürgerversammlungen: 1. To “tell the truth” by declaring a climate and ecological emergency. 2. To “act now” with means to “halt biodiversity loss and reduce greenhouse gas emissions to net by 2025”. 3. To create a citizen’s assembly on climate change and ecological justice which would lead Government action.
(The Evening Standard, 22. April 2019)
+ Aleatorische Demokratie statt Wahl-Aristokratie – ein 3-Minuten-Statement in der Diakonie-Reihe „unerhört: Nichtwähler„.
+ Belgien installiert die ersten ausgelosten Bürgerräte. Vorreiter der Bewegung ist David Van Reybrouck.
Bei dem sog. „Ostbelgien-Modell“, das sich als Vorbild für ganz Europa versteht, sollen mit der neuen Legislaturperiode ausgeloste Bürger über Themen beraten und ihre Ergebnisse im Konsens oder mit mindestens 80% ihrer Stimmen dem Parlament vorlegen. Die Losbürger erhalten eine Aufwandsentschädigung von 37,50 Euro, bei Sitzungen, die länger als vier Stunden dauern das Doppelte (75 EUR).
+ Aleatorische Demokratie in der Kommune? Darüber diskutierte die Wählergruppe „Deine Freunde“ in Köln. Audiomitschnitt auf Soundcloud.
+ Madrid hat als bisher wohl erste europäische Stadt die Einrichtung einer ständigen, per Los zusammengesetzten Bürgerversammlung beschlossen. Die Amtszeit soll jeweils ein Jahr dauern.
Madrid has become the first city in modern Europe to install a permanent citizens‘ assembly drawn by lot.
+ Brett Hennig: „Kick ‘em all out! Citizens’ Assemblies and the next democratic revolution“, in: New Internationalist, 14.12.2018. Auszug:
Whatever the diverse causes of, and messages from, these two very different protests, it appears that the demand for a citizens’ assembly is crossing cultural barriers and being promoted as the preferred democratic tool of a new generation of activists. (via: equalitybylot.com)
+ Schon einige Politiker und sonstwie Berufene haben gefordert, die Briten ein zweites Mal über die Frage nach Verbleib in oder Verlassen der EU abstimmen zu lassen (zumeist ohne auf das grundlegende Problem von Wiederholungsabstimmungen einzugehen). Nun hat eine Abgeordneter der Labour-Party stattdessen eine schnelle Citizens‘ Assembly zum Brexit gefordert, also eine Beratung durch ausgeloste Bürger. Lustigerweise wird dies nun als „Irish-Style“ bezeichnet, als hätten Irland die politische Beratung in einem Losgremium erfunden. Aber weil die Erzählung „konservatives, katholisches Land erlaubt die Abtreibung Dank aleatorischer Demokratie“ so schön ist, wird dieses Beispiel noch lange herhalten müssen. BBC-Videoausschnitt (1 Minute) vom 7.12.2018.
+ Citizens’ chambers:towards an activism of selection by lot. [Original-Abstract: Sortition would address the yawning deliberative deficit and weaken many of the pathways by which polarisation, cronyism and party influence occurs, says Nicholas Gruen.] in: The Mandarin (Australien), 5.12.2018
+ Der ORF berichtet über aleatorische Demokratie in Vorarlberg. Mit dabei sind natürlich die Bürgerräte, die dort regelmäßig einberufen werden und auch von den Bürgern per Unterschriftensammlung gefordert werden können (siehe dazu unseren Bericht). (Report, 20.11.2018)
+ Einen Bürgerrat für Neumünster wünscht sich eine “Initiative Demokratieerweiterung in Neumünster“. Am 5. Dezember (19 Uhr) gibt es dazu eine Informations- und Gesprächsveranstaltung (Bildungszentrum Vicelinviertel, Kieler Str. 90). Später soll es eine viertägige Planungszelle geben, aus der dann ein Bürgerrat hervorgehen soll. Siehe Bericht shz.de
+ Die beiden Macher vom Verein „Es geht LOS“ haben ihre Arbeit im Podcast Y-Politik vorgestellt (aufgenommen bereits im Oktober). (12. November 2018)
+ Frankfurter Demokratiekonvent nennt sich die erste ausgeloste Bürgerversammlung, die von der studentischen Initiative „Mehr als Wählen“ einberufen wird. Die Einladungen gehen in diesen Tagen raus, im Februar 2019 sollen dann 50 Frankfurter drei Tage lang über bessere demokratische Teilhabe beraten. Das Projekt wird jetzt in einem kurzen Video vorgestellt.
In der Frankfurter Rundschau gab es am 15.11.2018 dazu einen Bericht: Wählen gehen reicht nicht.
+ Aleatorische Bürgerbeteiligung im Elsass: „Man muss über eine neue Beziehung zur Macht nachdenken“ Mit ausgelosten Teilnehmern arbeiten die Bürger im elsässischen Kingersheim die Vorlagen für den Stadtrat aus. „Man muss über eine neue Beziehung zur Macht nachdenken“ – Gespräch mit dem französischen Bürgermeister Joseph Spiegel in elsässischen Kingersheim. Er spricht von einer „konstruierenden Demokratie“, deren oberstes Primat das Vertauen auf die Einwohner sei. (Deutschlandfunk, 21. Oktober 2018)
+ Tim Dunlop spricht sich in seinem Buch „The Future of Everything“ für eine aleatorisch besetzte zweite Parlamentskammer aus. Buchauszug im Guardian.
+ Auch in der Schweizer Direktdemokratie gibt es das natürliche Gerangel zwischen Herrschern und Beherrschten. „10 Arten, den Schweizer Volkswillen zu umgehen“ (swissinfo, 28. September 2018)
Fortsetzung von Folge 16 mit Feedbacks zum Modell Bürgerrat. Moderator Timo Rieg spricht mit Tim Weyrauch über dessen Erfahrungen als Mitglied im ersten bundesweiten Bürgerrat zur Reform der Demokratie. (In Folge 16 waren dazu bereits Urte Stahl und Martin Cordes zu hören.)
Danach geht es um den dritten bundesweiten Bürgerrat zur Klimapolitik. Darüber hat Timo Rieg mit Kirstin Bekers gesprochen, im Rahmen des Podcasts „Die Klimadebatte“, weshalb es hier nur einen kurzen Auszug und unten den Link zum ganzen Gespräch gibt.
Schließlich erzählt Karl-Martin Hentschel als einer der Initiatoren und fachlichen Berater des Klima-Bürgerrats von seinen Eindrücken zum Verfahren.
Mehr zu Bürgerräten, Planungszellen und anderen demokratischen Losverfahren gibt es unter www.aleatorische-demokratie.de
Der erste bundesweite Bürgerrat, eine Gruppe von 160 per Los aus ganz Deutschland bestimmten Mitbürgern, ist nun schon zwei Jahre her, und doch lohne der Blick auf dieses Pionier-Projekt. Denn die Methode Bürgerrat ist seitdem gesetzt, wird vielfach in allen möglichen Abwandlungen eingesetzt und begeistert sogar viele Politiker. In dieser Episode von ?Macht:Los! geht es daher um die Erfahrungen von zwei Ausgelosten, Urte Stahl und Martin Coordes. In den weiteren Podcastfolgen wird es dann auch einen Vergleich zur Methode Planungszelle geben, die gerade ihren 50. Geburtstag hatte. Und es sollen dann in loser Folge Fachgespräche zu einzelnen Aspekten der aleatorischen Bürgerbeteiligung, des aleatorischen Bürgergutachtens und letztlich der aleatorischen Demokratie folgen.
Bürgerräte als aleatorisches Beteiligungsformat erfreuen sich gerade großer Beliebtheit – sowohl bei Aktivisten als auch bei Politik und z.T. Verwaltung.
Der Schriftsteller Thomas Brussig („Sonnenallee“) hat zur Bekämpfung einer Pandemie wie Corona „Mehr Diktatur wagen“ gefordert. Eine kurzzeitige Aussetzung der Demokratie solle helfen, schnell zu einer guten Politik zu kommen. Timo Rieg widerspricht ihm heftig. Es habe in den anderhalb Jahren Coronapolitik nicht an Diktatur, sondern an echter Demokratie gefehlt. Ein Streitgespräch für den Podcast ?Macht:Los!
Die Kunstaktion ist Geschichte, der Wirbel um sie war heftig und für die Demokratieentwicklung bedenkenswert: Als am 22. April 2021 die 51 Mini-Videos der Aktion #allesdichtmachen online gegangen waren, entbrannte binnen Stunden ein Mediendebatte um die Grenzen des Sagbaren, die Verhöhnung von Corona-Opfern, die Nähe der Schauspieler und des Regisseurs zu Rechtsradikalen und Schwurblern.
Nach reichlich Zeit zum Beobachten des weiteren Mediengeschehens haben sich Robert Jende und Timo Rieg über diese Aktion unterhalten, im Rahmen des Podcast ?Macht:Los!
Um das aleatorische Element geht es dabei nur ganz am Rande, aber wie öffentliche Debatten verlaufen ist für den demokratischen Meinungsbildungsprozess auch bei Losgremien relevant.
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